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29. März bis 01. April 2024

Die Deutsche Nationalbibliothek ist an beiden Standorten geschlossen. Die Ausstellungen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums sind von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Aus der Vergangenheit lernen für die Gegenwart – Interaktive Interviews mit Zeitzeug*innen

Interaktive Interviews des historischen Exils

Seit mehr als 70 Jahren teilen Überlebende der Shoah ihre Erfahrungen mit Menschen auf der ganzen Welt und vermitteln dabei wichtige Erkenntnisse, die unser Verständnis von Geschichte prägen. Was aber passiert, wenn es keine Zeitzeug*innen mehr gibt, die von Shoah und Exil erzählen können? Wie wird sich unser Erinnern verändern?
Das Deutsche Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek möchte die wichtige Situation des Befragens sichern und erarbeitet gemeinsam mit der USC Shoah Foundation - The Institute for Visual History and Education zwei interaktive Zeitzeug*innen-Interviews.

Zum Projekt

Die interaktiven Zeitzeugnisse sind Teil des Projekts „Aus der Vergangenheit lernen für die Gegenwart – Interaktive Interviews mit Zeitzeug*innen des historischen Exils“. Im Rahmen des Projekts werden unter anderem zwei interaktive Interviews zu den Erfahrungen antisemitischer Verfolgung sowie des Exils nach 1933 erstellt.

Die interaktiven Zeitzeugnisse sind Teil des Dimensions in TestimonySM Programmes der USC Shoah Foundation und wurden mit dem Ziel entwickelt, dass die Geschichten der Zeitzeug*innen der Shoah auch künftige Generationen erreichen. Mit eigens dafür aufgezeichneten Interviews ermöglicht Dimensions in TestimonySM mit Zeitzeug*innen in eine Frage-Antwort-Interaktion zu treten. Diese Interaktivität ist ein integraler Bestandteil der Erfahrung von Dimensions in TestimonySM, denn die Aussage der Zeitzeug*innen wird erst dann aktiviert, wenn zuvor eine Frage gestellt wurde. Dimensions in TestimonySM ist das weltweit erste Projekt dieser Art.

Perspektivisch werden die interaktiven Zeitzeugnisse im Ausstellungsbereich des Deutschen Exilarchivs 1933-1945 zusammen mit einer kontextualisierenden Ausstellung öffentlich präsentiert. Die interaktiven Zeitzeugnisse werden dann in Lebensgröße im Raum zu sehen sein und so eine neue Form der Interaktion und der Begegnung im Raum schaffen.

Das Zeitzeugnis von Kurt S. Maier wird ab September 2023 im Ausstellungsbereich des Deutschen Exilarchivs 1933-1945 in Frankfurt am Main zugänglich sein. Ab 2024 wird das interaktive Zeitzeugnis von Inge Auerbacher die Ausstellung erweitern.

Zur Ausstellung

Die Präsentationen widmen sich der Lebensgeschichte der Zeitzeug*innen, die beide im badischen Kippenheim geboren wurden und bereits im Kindesalter Ausgrenzung und Verfolgung durch die Nationalsozialisten erleben mussten. Anders als Kurt S. Maier, dem nach der Deportation ins Lager Gurs die rettende Flucht ins Exil gelang, durchlebte Inge Auerbacher bis zur Befreiung im Jahr 1945 das Lager Theresienstadt. Sie wanderte 1946 in die USA aus, da sich die Familie in der ursprünglichen Heimat nicht mehr einfinden konnte. Beide nahmen mit ihren Familien die Herausforderung an, sich im Exilland USA ein neues Leben aufzubauen. Der Fokus der Ausstellung liegt auf den interaktiven Zeitzeugnissen, die es den Besucher*innen ermöglichen, selbst Fragen an die Zeitzeug*innen stellen zu können.

Beide interaktiven Zeitzeug*innen-Interviews lassen im Zusammenspiel mit der Dauerausstellung „Exil. Erfahrung und Zeugnis“ einen interaktiver Lern- und Erfahrungsraum entstehen, der es Besucher*innen ermöglicht, Themen wie Rassismus, Antisemitismus und den Verlust demokratischer Werte als konkrete, historische und zugleich gegenwärtige Bedrohung zu begreifen.

Kurt S. Maiers Geschichte als interaktives Zeitzeugnis

Das Interview für das interaktive Zeitzeugnis von Dr. Kurt S. Maier wurde im Juli 2021 in Washington D.C. aufgezeichnet. An insgesamt fünf Tagen wurde Kurt S. Maier von der Leiterin des Exilarchivs Dr. Sylvia Asmus interviewt. Es ist das erste interaktive Zeitzeugnis, das sich inhaltlich mit der Erfahrung des Exils beschäftigt und das zweite in deutscher Sprache.

Gruppe bei der Befragung zum interaktiven Zeitzeugnisses. Foto: DNB, Josephine Ellermeyer

Zwischen April und Oktober 2022 fand in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main und in Leipzig der sogenannte Beta-Test des interaktiven Zeitzeugnisses statt. In dieser Phase der Postproduktion konnten Gruppen erstmals Fragen an das interaktive Zeitzeugnis richten. Damit wurde das System trainiert, das zukünftig dafür sorgen wird, dass ein Dialog mit dem interaktiven Zeitzeugnis möglich ist. Zahlreiche Interessierte haben an den Beta-Tests teilgenommen und durch ihre Fragen an der Verbesserung des Systems mitgewirkt. Von Januar bis März 2023 tourt das Exilarchiv mit dem interaktiven Zeitzeugen-Interview von Kurt S. Maier durch verschiedene Regionen Deutschlands. Ziel ist es, dieses innovative Angebot auch außerhalb Frankfurts bekannt zu machen.
Erfahren Sie mehr dazu in unseren Blog.

Der Zeitzeuge Kurt S. Maier

Kurt S. Maier wurde 1930 in Kippenheim geboren und floh mit seiner Familie als 11-Jähriger in die USA. Teil seiner Lebensgeschichte ist nicht nur die Erfahrung des Exils, sondern auch die Zwangsdeportation der badischen Jüd*innen in das französische Lager Gurs im Herbst 1940. Sein Splittervorlass wird im Deutschen Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek aufbewahrt.

Mehr zu Kurt S. Maier

Biografie

Kurt S. Maier 1942 in New York Foto: privat

  • 4. Mai 1930: geboren in Kippenheim (Baden)
  • Ab 1936: Besuch der Volksschule in Kippenheim, ab 1938 der jüdischen Schule in Freiburg i. Br.
  • Seit August 1938: Vorbereitungen der Familie Maier zur Emigration in die USA
  • 22. Oktober 1940: Deportation der Familie Maier ins Lager Gurs in Südfrankreich
  • Frühjahr 1941: Entlassung aus dem Lager Gurs, da die Ausreisepapiere der Familie Maier für die USA bereitliegen
  • 8. Mai 1941: die Familie Maier erhält im amerikanischen Konsulat in Marseille ihre Ausreisepapiere, kurz darauf Abfahrt mit dem Schiff von Marseille nach Casablanca
  • 7. Juni 1941: mehrwöchige Internierung im Lager Sidi el-Ajachi, ca. 80 km südwestlich von Casablanca
  • 26. Juli 1941: Abreise von Casablanca nach New York mit dem Schiff S.S. Nyassa
  • 9. August 1941: Ankunft in New York
  • Ab Herbst 1941: Besuch einer öffentlichen Schule, später einer weiterführenden Schule in New York. Verschiedene Jobs als Beitrag zum Familieneinkommen, später Tätigkeit bei der Post
  • 1947: Erhalt der amerikanischen Staatsbürgerschaft
  • 1952-1954: Dienst in der US-Army
  • 1957-1961: Studium der deutschen Literatur und Geschichte in New York, 1963-1964 an der FU Berlin
  • 1967: Heirat mit Margery Teal
  • 1969: Promotion
  • Anfang 1970er-Jahre: Lehrkraft für deutsche Sprache und Literatur an verschiedenen Colleges
  • 1975-1978: Bibliothekar am Leo Baeck Institut, New York
  • Seit 1978: Bibliothekar an der Library of Congress, Washington, D.C. in der Abteilung für deutsche Geschichte und Literatur
  • 1989: Kurt S. Maier spricht erstmals in einer deutschen Schule als Zeitzeuge über seine Erlebnisse in NS-Deutschland
  • 2010: Kurt S. Maier erhält für sein Engagement als Zeitzeuge den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg
  • 2011: Veröffentlichung seiner Autobiografie „Unerwünscht. Kindheits- und Jugenderinnerungen eines jüdischen Kippenheimers“ (2. Auflage 2018)
  • 2019: Kurt S. Maier erhält für sein Engagement als Zeitzeuge der Shoah das Bundesverdienstkreuz
  • Juli 2021: Kurt S. Maier wird für Dimensions in TestimonySM in Washington, D.C. interviewt

Inge Auerbachers Geschichte als interaktives Zeitzeugnis

Das Interview für das interaktive Zeitzeugnis von Inge Auerbacher wurde im Oktober 2022 an insgesamt fünf Tagen in einem New Yorker Studio aufgezeichnet. Dr. Sylvia Asmus, die Leiterin des Deutschen Exilarchivs 1933-1945, stellte Inge Auerbacher während des Interviews über 900 Fragen zu ihrem Leben. Derzeit durchläuft das Interview die aufwendige Postproduktionsphase. Dazu gehört ab September 2023 auch wieder der Beta-Test, in dessen Rahmen Besucher*innen bei der Verbesserung des interaktiven Zeitzeugnisses von Inge Auerbacher mithelfen können.

Die Zeitzeugin Inge Auerbacher

Inge Auerbacher wurde am 31. Dezember 1934 in Kippenheim (Baden) geboren. Am 22. August 1942 wurde Inge zusammen mit ihren Eltern nach Theresienstadt deportiert. Die Familie blieb dort inhaftiert bis zur Befreiung durch die Rote Armee am 8. Mai 1945. Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Lager in Stuttgart kehrte die Familie Auerbacher zunächst in die badische Heimat zurück, fühlte sich in der deutschen Nachkriegsgesellschaft jedoch nicht mehr heimisch. Im Mai 1946 emigrierte die Familie in die USA.

Mehr zu Inge Auerbacher

Biografie

Inge Auerbacher um 1940 Foto: privat

  • 31. Dezember 1934: geboren in Kippenheim (Baden), Eltern sind Berthold und Regina Auerbacher
  • November 1938: Vater und Großvater werden in der Pogromnacht nach Dachau verschleppt und für mehrere Wochen inhaftiert.
  • 1939 muss die Familie ihr Haus in Kippenheim verkaufen; sie ziehen zu den Großeltern Betty und Max Lauchheimer nach Jebenhausen.
  • Ab 1940 besucht Inge Auerbacher die jüdische Schule in Stuttgart
  • 1. Dezember 1941: Die Großmutter wird nach Riga deportiert und dort ermordet
  • 1941: Kurz nach der Deportation der Großmutter muss die Familie das Haus der Großeltern verlassen und wird in ein sog. „Judenhaus“ einquartiert.
  • Am 22. August 1942 wird Inge zusammen mit ihren Eltern nach Theresienstadt deportiert. Sie bleiben dort inhaftiert bis zur Befreiung durch die Rote Armee am 8. Mai 1945.
  • Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Lager in Stuttgart kehrt die Familie Auerbacher wieder nach Jebenhausen zurück, kurz darauf folgt der Umzug nach Göppingen, wo sie bis zum Mai 1946 leben.
  • 1946: Die Familie wandert in die USA aus
  • Kurz nach ihrer Ankunft in New York erkrankt Inge Auerbacher an Tuberkulose als Folge der Lagerhaft in Theresienstadt.
  • Ab 1948: Entlassung aus dem Krankenhaus, Schulunterricht zunächst zu Hause, dann vor Ort, unterbrochen durch gesundheitliche Rückschläge
  • 1950: Abschluss der Junior High-School, Graduierung 1953, 1958 Bachelor of Science in Chemie. Inge Auerbacher arbeitet fortan als Chemikerin.
  • 1953 erhält Inge Auerbacher die US-Amerikanische Staatsbürgerschaft.
  • 1966: erster Besuch in ihrem Heimatort Kippenheim
  • 1986 veröffentlicht sie ihre Kindheitserinnerungen „Ich bin ein Stern“, 1990 erscheint das Buch auch in deutscher Übersetzung. Es folgen weitere Publikationen, u.a. 2005 „Jenseits des gelben Sterns“
  • Bis heute ist Inge Auerbacher als Zeitzeugin tätig und erzählt vor allem Jugendlichen von ihrer Lebensgeschichte.
  • Inge Auerbacher erhält für ihr Engagement als Zeitzeugin und für die deutsch-jüdische Verständigung mehrere Auszeichnungen in Deutschland und den USA, unter anderem das Bundesverdienstkreuz.
  • Am Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2022 sprach sie im Deutschen Bundestag. In ihrer Rede appellierte sie an die Menschen in Deutschland, sich dem Antisemitismus entgegenzustellen.
  • Oktober 2022: Inge Auerbacher wird für TestimonySM in New York interviewt.

Kooperationspartnerin

Logo USC Shoah Foundation

Die USC Shoah Foundation ermöglicht Menschen, mit Überlebenden des Holocaust und anderer Genozide in eine Frage-Antwort-Interaktion zu treten. Dazu werden Antworten aus zuvor aufgenommenen Videointerviews aktiviert, sobald Fragen gestellt werden. Das innovative Projekt integriert hochentwickelte Video- und Displaytechniken mit zukunftsweisenden Spracherkennungstechnologien. Museumsbesucher*innen, Schüler*innen und andere Interessierte haben heute und in ferner Zukunft die Möglichkeit, in einen interaktiven Dialog mit Zeitzeug*innen zu treten und so von denen zu lernen, die die historischen Ereignisse selbst miterlebt haben.
Im Rahmen von Dimensions in TestimonySM kooperieren die USC Shoah Foundation und das Illinois Holocaust Museum and Education Center unter Verwendung von Technologien des USC Institute for Creative Technologies auf der Grundlage eines Konzepts von Conscience Display. Finanziert wurde Dimensions in TestimonySM zum Teil von der Pears Foundation, der Louis. F. Smith, Melinda Goldrich and Andrea Clayton/Goldrich Family Foundation zu Ehren von Jona Goldrich und dem Illinois Holocaust Museum and Education Center. Weitere Partnerinstitution ist das CANDLES Holocaust Museum and Education Center und das Deutsche Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek.

Gefördert durch:

Logo BKM und Hessen Aktiv für Demokratie und gegen Extremismus

Informationen und Kontakt

exilarchiv@dnb.de oder +49 69 1525 1987

Letzte Änderung: 23.03.2023
Kurz-URL: https://www.dnb.de/zeitzeugnisinteraktiv

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