Das typographische Kulturerbe Deutschlands im Industriezeitalter
Ein Pilotvorhaben zur Massendigitalisierung historischer Schriftproben (1820-2000)
Projektbeschreibung
Unsere Schriftkultur prägt unser Denken und unsere Kommunikation. Doch ein großer Teil dieses Erbes schlummert bisher nur in Archiven, Museen und Bibliotheken. In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Verbundprojekt kooperieren die Deutsche Nationalbibliothek (DNB), die Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin (KB), die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (SBB) sowie die Buchwissenschaft der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU) bei der Digitalisierung, Erschließung und Zugänglichmachung typographischer Schriftproben, die nach dem Ende der Handpressenzeit um 1820 erschienen sind. Das Gemeinschaftsvorhaben versteht sich als ein erster Schritt zum Aufbau eines digitalen Portals zur Dokumentation und Open Access-Transformation des nationalen typographischen Kulturerbes und verfolgt in den kommenden 30 Monaten drei Kernziele.
Damit soll Typographie als Bestandteil schriftlichen Kulturerbes sichtbarer gemacht sowie die Möglichkeiten und Perspektiven schriftbezogener Forschung grundlegend erweitert werden.
Das Projekt zielt auf die Digitalisierung und dauerhaft uneingeschränkte virtuelle Zugänglichmachung der Bestände von DNB, SBB und KB an Schriftproben aus dem deutschen Sprachraum im Zeitalter des industriellen Druckgewerbes seit 1820. Geplant ist die Open-Access-Transformation eines Korpus von insgesamt 6.350 Schriftproben, davon 3.700 aus den Beständen der DNB.
Als zweites Projektziel ist die Konzeption eines wissenschaftlich fundierten Klassifikations- und Erfassungsschemas für typographische Normdaten vorgesehen sowie dessen Anwendung zur Erschließung des Digitalisierungskorpus. Die typographischen Inhalte der Gemeinsamen Normdatei (GND) – der größten spartenübergreifend genutzten Normdatensammlung im deutschsprachigen Raum – sind aufgrund ihrer variierenden Entstehungskontexte uneinheitlich. Ihre Revision dient nicht nur spezifischen Projektzwecken, sondern auch der Erhöhung der allgemeinen Datenkonsistenz der GND und damit ihrer Anschlussfähigkeit für maschinelle Schriftarterkennungswerkzeuge. Das Projekt bietet die herausragende Chance, die typographischen Normdaten im Dialog der buchwissenschaftlichen und bibliothekarischen Fachcommunities und unter Hinzuziehung des wissenschaftlichen Projektbeirats aufzuwerten und auf den aktuellen Stand der Forschung anzuheben.
Ebenfalls zur besseren Erschließung des Projektkorpus plant das Vorhaben drittens die Transkription ausgewählter Schriftproben als frei zu verwendendes Trainingsmaterial (Ground Truth) für die automatische Schrifterkennung unter Einsatz (generativer) Künstlicher Intelligenz – sowohl im Hinblick auf die Verbesserung von OCR-Verfahren zur Volltexterzeugung als auch zur Identifikation identischer Schriften mit Mustererkennungsmethoden. Gerade die Bestimmung älterer Typen, die mehr Variation im Formenprogramm aufweisen oder als Zierschriften solche Varianten sogar absichtlich einführen, stellt noch immer eine Herausforderung für die maschinelle Schrifterkennung dar. OCR-Modelle, die auch Trainingsdaten aus Schriftmustern integrieren, sind entsprechend robuster und zuverlässiger in der Erkennung von Vorlagen jenseits der gängigen Werkschriften.
Projektrahmen
Trägerschaft
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Partner
- Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung preußischer Kulturbesitz
- Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin
- Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Laufzeit
1. Oktober 2025 bis 31. März 2028
Kontakt
Stephanie Jacobs
s.jacobs@dnb.de
Helene Schlicht
h.schlicht@dnb.de
Letzte Änderung:
21.10.2025